"Partizipation macht Architektur" von S.Hoffmann, die Baupiloten

4.2.1 Die Bedeutung der Leistungs­phase Null

Immobilien sind langfristige Vorhaben. Nach ihrem Bau werden sie in der Regel über Jahrzehnte genutzt. Schon das Planen und Bauen selbst ist zeitaufwendig. Vom Konzept über die verschiedenen Stadien der Planung bis hin zur Fertigstellung vergehen oftmals mehrere Jahre. Potenzial bei Wohnungen und Pflege

 

Von der Lebenszeit einer Immobilie nimmt die Betriebs-phase mit 20 bis 30 Jahren jedoch den weitaus längsten Zeitraum ein. Für Bauherren und Planer liegt der Fokus oftmals auf der Planungs- und der Realisierungsphase.

 

Der Lebenszyklus einer Immobilie – bis zum Ende ihrer geplanten Nutzung – umfasst aber insgesamt fünf Phasen:

1) Entwicklungsphase bzw. „Leistungsphase 0“ (LP 0)

2 )Planungsphase

3) Realisierungsphase

4) Dokumentationsphase

5) Betriebsphase

 

Seitens der Immobilienwirtschaft erhält nicht zuletzt angesichts steigender Baukosten sowie Betriebskosten die sog. „Leistungsphase 0“ eine wachsende Beachtung. Im Fokus dieser Phase steht die sog. Bedarfsplanung. Ihr Ziel ist die vorausschauende Planung und Optimierung von Kosten und Nutzen sowohl in der Projekt- als auch in der Bestandsentwicklung. Die zielorientierte Planung und Realisierung soll die Nutzung passgenauer und damit effizienter machen und bereits Planungs- und Erstellungskosten minimieren.

 

Bedarfsplanung (DIN 18205)

 

Defintion:

Laut der DIN 18205 kommt Bedarfsplanung zur Anwendung, wenn bei einem Bauherrn grundsätzlicher Bedarf für eine Investition besteht. Seine Vorgaben und Wünsche werden in qualitativer und quantitativer Form im sogenannten Nutzerbedarfsprogramm festgehalten.

 

Definiert werden zum Beispiel:·

  • Art und Anzahl der benötigten Flächen und Räume (Raumprogramm, Flächenbedarf in Abhängigkeit von der Funktion, notwendige Raumhöhen)
  • Qualität und Ausstattung (des Arbeitsplatzes, Beleuchtung, Geräte, Möblierung, Kommunikationssysteme)
  • organisatorische und betriebliche Randbedingungen (Transportwege, sonstige funktionale Bezeichnungen)
  • technische und gesetzliche Randbedingungen (Strahlenbelastung, Schallschutz)
  • finanzielle und terminliche Randbedingungen

somit ist eine genaue Soll-Vorgabe geschaffen, die das Vorhaben ständig begleitet und an denen sich der Architekt bei der Entwurfsplanung wie auch der Facharbeiter orientieren kann. Die Vorgaben werden auch als Basis für Wettbewerbe eingesetzt.

Die Erstellung einer Bedarfsplanung ist nicht durch die Grundlagenermittlung nach HOAI (Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen) abgedeckt und sollte deshalb vom Auftraggeber selbst dokumentiert werden. Schwierigkeiten bereiten oftmals die fehlende Kompetenz seitens des Bauherrn und Auftraggebers und deshalb sollte das am besten mit Hilfe eines Fachmannes geschehen.

Soll-Vorgaben für PlanungBedarfsplanung nicht in HOAI! Die Bezeichnung „Leistungsphase 0“, die Bezug auf die mit laufenden Nummern versehenen Phasen der HOAI (LP 1 bis 9) nimmt, ist in gewisser Weise irreführend. In der Phase Null gibt es den größten Gestaltungsspiel-raum, da zu diesem Zeitpunkt die Beeinflussbarkeit der Planungsparameter auch jenseits der architektonischen Konzeption am größten ist – gerade was die Kosten während der Betriebszeit betrifft. Die Frage, was in der Nutzungsphase in Gebäuden und ihren Räumlichkeiten stattfinden soll und welche räum-lichen Anforderungen dafür benötigt werden, auch wel-cher Grad an Flexibilität erforderlich sein muss, sollte bereits zu Beginn eines Projektes definiert und untersucht werden. Dabei ist es wichtig, Projektziele (vom Raumprogramm über Herstellkosten bis hin zu Terminen für die einzelnen Planungs- und Bauphasen) sowie langfristige Ziele (z.B. Nutzungskosten und Flexibilität bezüglich Umbaumöglichkeiten) der einzelnen Immobilienparameter zu definieren. Gleichzeitig kann es Sinn machen, sich am örtlichen Wettbewerb wie auch an konzeptionell vergleichbaren Best-Practice-Beispielen zu orientieren.

Ziele definieren:

Ob Bauherr, Architekt oder Nutzer – alle Seiten benöti-gen eine solide (Entscheidungs-) Grundlage, auf der die Planung aufbauen kann. In der öffentlichen Diskussion wird gerade in Bezug auf Probleme mit Kosten und Terminen bei Bauvorhaben die „Phase 0“ gerne als Wunderwaffe propagiert. Da die Leistungsphase 0 in der HOAI nicht definiert ist, wird sie von Bauherrnseite oftmals stillschweigend vorausgesetzt. Dabei liegt die Verantwortung für die Aufgabenstellung beim Bauherrn. Die in einem Planungsprozess erforderlichen Leistungen sind auch mit der „Phase 0“ nicht erschöpfend zu beschreiben – Entwerfen ist ein iterativer Prozess mit vielen Beteiligten. Für dessen Gelingen sind Planende gemeinsam mit ihren Auftraggebern verantwortlich.

Udo W. Hoffmann

Dipl.- Ing. FH BDB

Freier Architekt

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